Ist das Kitsch und darf es trotzdem bleiben? Von der Schönheit der Dinge im Alltag

In einer Welt, die zunehmend von Hektik und Effizienzstreben geprägt ist, scheint die Schönheit des Alltags oft in den Hintergrund zu rücken. Dabei können gerade die kleinen, ästhetischen Gesten im täglichen Leben eine immense Wirkung auf unser Wohlbefinden und unsere Zufriedenheit haben. Die kunstvoll angerichtete Mahlzeit, das schöne Porzellan, das wir verwenden, die Vase mit frischen Blumen und die liebevoll ausgewählten Deckchen auf dem Tisch – all diese Details tragen dazu bei, unseren Alltag zu bereichern und ein Gefühl von Freude und Erfüllung zu vermitteln.

Die Vernachlässigung dieser Alltagsästhetik ist tief in unserer modernen Kultur verankert. Studien zeigen, dass viele Menschen ästhetische Aspekte als zweitrangig gegenüber Funktionalität und Zweckmäßigkeit betrachten. Eine Umfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2020 ergab, dass 65% der Befragten bei Alltagsgegenständen primär auf den praktischen Nutzen achten und weniger auf das Design oder die Ästhetik. Diese Priorisierung ist jedoch keineswegs ein Naturgesetz, sondern das Ergebnis gesellschaftlicher Prägung.

Der Begriff „Kitsch“ spielt dabei eine zentrale Rolle. Was wir als Kitsch betrachten, ist oft eine ästhetische Wertung, die tief in kulturellen Normen und Vorurteilen verwurzelt ist. In vielen westlichen Gesellschaften wird der Einsatz von Dekor und Ornamentik als überflüssig oder gar als Zeichen schlechten Geschmacks betrachtet. Dieser kulturelle Bias hat historische Wurzeln: Die Moderne mit ihrem Streben nach Rationalität und Minimalismus hat dekorative Elemente oft abgewertet. Dies spiegelte sich auch in der Architektur und Inneneinrichtung wider, wo schlichte Formen und klare Linien dominieren.

Doch diese Reduktion auf das Nützliche verkennt die tiefere Bedeutung ästhetischer Elemente im Alltag. Erinnern wir uns an die Zeiten unserer Großmütter, als das Sonntagsgeschirr hervorgeholt wurde und der Tisch mit liebevollen Details gedeckt war. Diese Rituale schufen nicht nur einen besonderen Moment, sondern vermittelten auch Wertschätzung und Achtsamkeit. In der Sozialpsychologie ist bekannt, dass solche ästhetischen Erfahrungen unser Wohlbefinden steigern. Eine Studie der Universität Oxford aus dem Jahr 2018 zeigte, dass Menschen, die täglich kleine ästhetische Freuden genießen – sei es ein schön gedeckter Tisch oder eine ansprechend präsentierte Mahlzeit – signifikant höhere Werte in Bezug auf Lebenszufriedenheit und emotionale Ausgeglichenheit aufweisen.

Die Schönheit des Alltags wird oft als Luxus abgetan, der nur für besondere Anlässe reserviert ist. Doch diese Sichtweise beraubt uns der Möglichkeit, unser tägliches Leben zu verschönern und aufzuwerten. Warum sollte das schöne Porzellan nur bei Besuch herausgeholt werden? Warum sollten wir uns nicht jeden Tag die Freude gönnen, aus einer elegant gestalteten Tasse zu trinken? Es sind diese scheinbar kleinen Dinge, die einen großen Unterschied machen können.

Der Einsatz von schönen Alltagsgegenständen wie Porzellan, Tassen mit Untersetzern, Vasen und Deckchen hat auch eine soziale Dimension. Sie schaffen eine Umgebung, die zur Interaktion und zum Austausch einlädt. Ein schön gedeckter Tisch ist mehr als nur eine optische Freude; er ist ein Ort der Begegnung und des Gesprächs. Soziologische Untersuchungen belegen, dass Menschen in ästhetisch ansprechenden Umgebungen eher dazu neigen, soziale Kontakte zu pflegen und tiefere, bedeutungsvollere Gespräche zu führen.

Die Schönheit des Alltags ist also kein überflüssiger Luxus, sondern ein wesentlicher Bestandteil eines erfüllten und glücklichen Lebens. Indem wir uns die Zeit nehmen, unseren Alltag mit ästhetischen Details zu bereichern, schaffen wir Momente der Achtsamkeit und Freude. Wir erinnern uns an die liebevollen Rituale unserer Kindheit und tragen diese Werte in unser heutiges Leben. Es ist an der Zeit, den vermeintlichen Kitsch zu entmystifizieren und die Schönheit im Alltäglichen zu feiern. Lassen wir uns von der Ästhetik inspirieren und gönnen uns die Freude, die in jedem schönen Gegenstand steckt – jeden Tag aufs Neue.


Was einst als kitschig galt, wird heute als charmant und authentisch gefeiert.

Die Rückkehr der Schönheit in den Alltag zeigt sich nicht nur in der bewussten Nutzung von Porzellan und ästhetischen Arrangements, sondern auch in der Renaissance vieler Gegenstände, die einst als altmodisch oder kitschig galten. Diese Wiederentdeckung zeugt von einem wachsenden Bedürfnis nach Authentizität und Individualität in einer Welt, die zunehmend von Massenproduktion und Uniformität geprägt ist.

Ein Beispiel hierfür sind gehäkelte Deckchen und Spitzentischdecken. Lange Zeit als überflüssiger Staubfänger und Relikt vergangener Generationen betrachtet, erleben sie nun eine Renaissance. Diese filigranen Textilien bringen eine handwerkliche Note und einen Hauch Nostalgie in unsere Wohnräume. Sie erinnern an die liebevoll dekorierten Tische unserer Großmütter und schaffen eine gemütliche, heimelige Atmosphäre.

Auch der Retro-Toaster ist zurückgekehrt. In den 90er Jahren von modernen, minimalistischen Designs verdrängt, feiert der Toaster im Retro-Stil heute ein Comeback. Diese Geräte verbinden Funktionalität mit nostalgischem Charme und werden oft als stilvolle Akzente in modernen Küchen eingesetzt. Sie verkörpern eine Mischung aus praktischer Nutzung und ästhetischem Vergnügen, das den täglichen Frühstücksritualen eine besondere Note verleiht.

Ein weiteres Beispiel ist die gute alte Tischlampe mit Schirm. Während die puristischen, LED-beleuchteten Räume der letzten Jahrzehnte oft auf direkte, in Möbel integrierte Lichtquellen setzten, erleben Tischlampen mit aufwendigen Schirmen und klassischen Designs eine Wiedergeburt. Diese Lampen schaffen nicht nur eine warme und einladende Lichtstimmung, sondern dienen auch als dekorative Elemente, die Stil und Persönlichkeit in den Raum bringen.

Nostalgische Küchenwaagen aus Metall gehören ebenfalls zu den wiederentdeckten Schätzen. Früher in fast jeder Küche zu finden, dann durch digitale Waagen verdrängt, kehren sie nun als dekorative und funktionale Stücke zurück. Sie vereinen das Praktische mit dem Schönen und erinnern an eine Zeit, in der Küchenutensilien noch Charakter hatten und nicht nur funktionale Geräte waren.

Zuletzt sind da noch die bunten, gemusterten Tapeten, die lange Zeit als Inbegriff des schlechten Geschmacks galten. In den letzten Jahren erleben sie eine beeindruckende Rückkehr und setzen kraftvolle Akzente in modernen Wohnungen. Diese Tapeten bringen Farbe und Leben in unsere Räume und bieten eine spielerische Alternative zu den weißen Wänden des Minimalismus.

Diese Rückkehr ehemals verschmähter Gegenstände zeigt, dass unser ästhetisches Empfinden einem ständigen Wandel unterworfen ist. Was einst als kitschig galt, wird heute als charmant und authentisch gefeiert. Diese Entwicklung spiegelt eine tiefere Sehnsucht wider, die uns alle verbindet: das Bedürfnis nach Schönheit und Bedeutung in unserem täglichen Leben. Durch die Wiederentdeckung und Wertschätzung dieser Gegenstände schaffen wir eine Umgebung, die nicht nur funktional, sondern auch inspirierend und erfüllend ist. Indem wir den vermeintlichen Kitsch umarmen, feiern wir die Vielfalt und den Reichtum unseres kulturellen Erbes und bringen ein Stück Vergangenheit in unsere moderne Welt.

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